Wie man Pulsare beobachtet und die Daten analysiert

Empfangstechnik

Da die Strahlung des Pulses durch Synchrotronemission erzeugt wird, deren Fluss mit der Frequenz abnimmt, ist die Wahl einer möglichst niedrigen Frequenz angebracht. Bei DL0SHF wird auf 1.3 GHz mit dem 9m Spiegel beobachtet. Das Empfängersystem hat eine Systemtemperatur von weniger als 50 K. Nach den Vorverstärkern wird das Signal in einer Kette von Filtern und Verstärkern mit einer Bandbreite von etwa 2 MHz auf einen Pegel angehoben, der von einem Breitband Leistungsmesser gemessen wird.
Anfänglich (von Oktober 2014 bis Juni 2015) wurde ein HP8484A Sensor und ein HP437B Leistungsmesser verwendet. In dieser Zeit wurde klar, dass die
Zeitkonstante zu lang war (etwa 50 ms) um damit den ziemlich kurzen Puls und seine Feinstruktur zu erkennen. Seit August 2015 wird der E4412A Sensor und der EPM441A Leistungsmesser benutzt.
Da die Zeitkonstante für die Übertragung über den HP-IB Bus sich als zu lang erwies, wird das gleichgerichte Signal direkt dem Analogausgang des Leistungsmessers entnommen und von einem Cebo Stick Datenlogger digitalisiert. Ein Programm zeichnet die Messwerte zusammen mit Zeitstempel in einer Datei auf.

Die Beobachtungen erfolgen durch Nachführen des Objekts und der ständigen Messung des Kontinuumsignals und dessen Aufzeichnung mit einer konstanten Abtastrate während einer genügend langen Beobachtungsdauer. Die Darstellung der Daten in einem Wasserfalldiagramm von Phasendiagramm erlaubt es, die Zeiten starker Pulse leichter zu erkennen sowie die zeitliche Veränderung der Pulsstärke zu verfolgen.

Reduktion der Rohdaten

Nehmen wir als Beispiel einen der ersten Versuche, am 2 nov 2014 um UT 07:49, mit B0329+54, dem hellsten Pulsar des Nordhimmels: .
Die Rohdaten der 58 min langen Messung mit 1 kHz Abtastrate zeigen viele scharfe Spitzen, die mehr oder weniger periodisch erscheinen. Ein fünf Minuten langer Ausschnitt zeigt, dass die Spitzen in Gruppen kommen, etwa alle 30 s.
Eine solche Gruppe besteht aus mehreren kurzen Spitzen. All dies sind nur lokale elektrische Impulse, die viel stärker als das Pulsarsignal sind! Ein noch stärker vergrößerter Ausschnitt zeigt noch ein anderes Phänomen: Das Signal ändert sich nicht kontinuierlch, sondern macht Stufen von etwa 1 mV ... Dies sind die Stufen des 12 bit Analog/Digital Wandlers im Cebo Stick, der eine Auflösung von 1/4096 = 0.00024 des Spannungsbereiches von 3.3 V hat, d.h. 0.8 mV.

Der mittlere Pegel in den Daten ist nicht gleich Null, und es geschieht oft, dass er sich langsam mit der Zeit ändert, auf Grund der sich änderenden lokalen Störsignale. Deshalb wird mit einem digitalen Hochpassfilter dafür gesorgt, dass der Datenstrom symmetrisch um das Nullniveau bleibt:

Das Hochpassfilter wird durch eine einfache Operation auf dem Datenstrom verwirklicht. Liegt dieser als eine Folge von Paaren (time, value) vor, so wendet man diese Prozedur an (geschrieben wie in BASIC)

average = 0.0
for i=2 to n
   h = value(i) - average/tau
   average = average + h*(time(i)-time(i-1))
   value(i) = h
next

Mit einer gegebenen Zeitkonstante tau entfernt das Filter alle Signalschwankungen die langsamer als tau sind. Das Filter benötigt allerdings einige Zeit zum Einschwingen, daher sollte man Ausgangssignale erst nach etwa 10*tau als gültig ansehen.

Ein erster Blick: FFT

Das Spektrum der Rohdaten weist einen Rauschteppich auf, der oberhalb von 30 Hz konstant ist, und darunter bis auf ein 10 dB höheren Wert bei Null Frequenz ansteigt. Auf dem Teppich sitzt eine Reihe scharfer Spitzen ... ... die gleichmäßig angeordnet sind mit einem Intervall von 0.42 Hz. Aber das ist NICHT der Pulsar!

Phasendiagramm

In den Daten suchen wir nach einem periodischen Signal. Nehmen wir an, dass jede Datezeile aus Zeitmarke und Messwert besteht:
time value
dann rechnen wir aus dem Zeitpunkt time den Zeitpunkt in Einheiten der Periode aus
x = time/period
Der ganzahlige Anteil ist die Zahl der seit Beginn der Aufzeichnung vergangenen Perioden:
nperiod = int(x)
Der Dezimalanteil (die Nachkommastellen) ist die Phase, eine Zahl zwischen 0 und 1, die die relative Position des Datums innerhalb einer Periode beschreibt.
phase = x - float(nperiod)
Um den mittleren zeitlichen Verlauf der Signalstärke während einer Periode zu erhalten, müssen wir einfach alle Daten, die derselben Phase entsprechen, an dieselbe Stelle tun.

Dazu teilen wir die Periode in eine Anzahl von Bins ein - z.B. nbin. Jedes Bin entspricht einem kleinen Phasenintervall, wobei i=0 die Phase=0 bedautet und i=nbin-1 Phase=1.0:

pbin[i] = 1.0/float(nbin)
Somit können wir die Nummer des Bins berechnen, das zu einer vorgegebenen Phase gehört (wo also pbin[i-1] < phase < pbin[i]):
i = int(x * nbin)
und damit summieren wir das Signal auf
ybin[i] = ybin[i] + value
Sind alle Daten verarbeitet, ergibt der Plot der ybin-Werte als Funktion der Phasen pbin den mittleren Signalverlauf während einer Periode.

Hatte man dies mit der korrekten Periode durchgeführt, erscheint der Puls als einzelnes Maximum. Da die beobachtbare Periode durch die Rotation der Erde sowie deren Bahn um die Sonne von der wirklichen Periode des Pulsars abweicht, kann diese für Ort und Zeitpunkt der Beobachtung mit Hilfe des TEMPO Programms berechnet werden.

Falls man die Periode nicht kennt, oder das Unwissen vortäuschen möchte, kann man sie dadurch bestimmen, indem man Phasendiagramme konstruiert für Periodenwerte, die systematisch in einem möglichen Bereich variiert werden. Da ein periodisches Signal in einem guten und rauscharmen Phasendiagramm als Einzelstruktur auftaucht, dient die Niedrigkeit des Rauschens als Maß für die Wahrscheinlichkeit, dass ein periodisches Signal vorliegt.
Phasendiagramm - mit 200 Bins und der Periode 0.71449 s - des Pulsars B0329+54, aus dem gesamten oben gezeigten Datensatz. Sucht man die Perioden systematisch ab und benutzt das Restrauschen im erhaltenen Phasendiagramm als Maß für die Anwesenheit einer periodischen Struktur, findet man, dass die Daten ein periodisches Signal enthalten mit der Periode des Pulsars. Die regelmäßigen Einbrüche alle 0.01 s sind eine Folge der Abtastfrequenz von 1 kHz. Das Maximum bei 0.732 s ist eines von zahlreichen dieser Art, verursacht von den reichlichen lokalen Störungen.
Wie genau muss man die Periode schätzen?

Im Prinzip kann die wohlbekannte Periode eines Pulsars von den Dopplerverschiebungen korrigiert werden, die durch Erdrotation und -bewegung sowie die Bewegung der Sonne in der Milchstraße verursacht werden. Aber es ist auch recht einfach die Periode durch Versuche oder systematische Suche zu ermitteln, indem man Phasendiagramme konstruiert, und nach demjenigen sucht, das die Struktur am deutlichsten zeigt. Man sucht nach einer möglichst glatten mittleren Kurve mit den kleinstmöglichen Abweichungen. Aber wie weit darf man sich vom 'wahren' Wert entfernen?
Wenn die Periode auf 0.71445 s heruntergesetzt wird, fängt eine Verzerrung der Pulsform an. Gleichermaßen wird der Puls verwaschener, wenn die Periode auf 0.7146 s heraufgesetzt wird. Daher kann der Pulsar klar detektiert werden, solange die Periode innerhalb von 0.0001 s mit dem wahren Wert übereinstimmt, mit anderen Worten: solange wir die vierte Nachkommastelle richtig bekommen. Dies ist ein schmaler Bereich, der aber systematisch durchsucht werden kann. Je länger der Datensatz, desto schmaler ist dieser Bereich.

Wasserfalldiagramm

Eine sehr nützliche Art der Datendarstellung ist es, Phasendiagramme von Datenstücken mit einer fest gewählten Länge, z.B. 1 min, zu konstruieren, und ihre Veränderung mit der Zeit zeigen. Beispielsweise stellt man jedes Bin durch ein kleines Rechteck dar, dessen Farbe aus dem Wert des Bins entsprechend einer Farbskala bestimmt wird, so dass ein Phasendiagramm aus einem Band solcher farbigen 'Pixel' besteht. Darunter wird dann das nächste Phasendiagram gezeichnet, usw.:

Dies kann für einen vollständigen Datensatz nach der Beobachtung gemacht werden, aber es ist auch sehr hilfreich als eine in Echtzeit laufende Darstellung bereits während der Beobachtung. Ist die angenommene Periode sehr nahe des richtigen Werts, so sieht man eine vertikale gerade Linie, da das Pulsmaximum immer zur selben Phase auftritt. Abhängig vonm Unterschied zwischen angenommener und wahrer Periode, bekommt man eine gerade Linie, die aber nach links oder rechts abgleitet. Ändert man die angenommene Periode entsprechend, so kann bei Erreichen der senkrechten Linie die richtige Periode gefunden werden.

Weil die Pulsstärke wegen der Szintillation mit der Zeit variiert, sieht man im Echtzeit-Wasserfall leicht, wann der Pulsar in einer starken Phase ist ...

Der oben gezeigte Wasserfall der 58 min langen Messung vom 2 nov 2014 zeigt, dass in den ersten 40 Minuten die Pulse nur schwach sind und länger sogar völlig im Rauschen verschwanden. Nur in den letzten 10 Minuten war der Puls sehr stark und weit über dem Rauschen. Die gerade Linie wandert nach links. Dies bedeutet, dass die geratene Periode zu groß ist.

Allerdings sieht man auch, dass die Linie der Pulse einen Knick macht. Zuerst ist sie nach rechts geneigt, und neigt sich abrupt nach links. Das kurze Stück im oberen Teil ist ebensfalls nach rechts geneigt. Eine genauere Untersuchung mit anderen Datensätzen zeigt auch dieses Verhalten: die Linie vollführt einen regeläßigen Zickzackkurs, und wechselt etwa alle 15 min zwischen Geradenstücken. Dies stellte sich als ein kleines Problem mit der Triggerung des Cebo Sticks heraus ...

Signal/Rausch Verhältnis

Wegen der starken zeitlichen Variation des Pulsarsigals ist es wünschenwert, eine quantitative Beurteilung der Signalstärken zu haben. Dies erfolgt in einem Phasendiagramm durch Messung des Verhältnisses der Maximalhöhe des Pulses und der Standardabweichung der Fluktuationen des Hintergrunds um den Puls. Geschieht dies immer mit 60 s langen Datenpaketen, hat man ain einheitliches Maß mit dem man verschiedene Datensätze vergleichen kann:

Im Datensatz vom 2 nov 2015 steigt das Signal/Rausch Verhältnis erst nach etwa 40 min an, und reicht bis auf 25. Konstruiert man ein Phasendiagramm nur aus den Daten der letzten 10 min, erhält man ein besseren Puls als wenn man die gesamten Daten verwendet (weiter oben gezeigt):

Überlegungen zur Beobachtungsplanung

Zeitkonstante

Die Ansprechzeit des Detektors bestimmt das Vermögen des Messsystems, die Pulsform und eventuelle Feinstrukturen aufzulösen. Daher ist die Messung der Zeitkonstanten unseres Systems erforderlich. Glücklicherweise wurde am 21 feb 2015 eine Reihe von sehr starken pulsartigen Signalen registriert, die vielleicht von einem Erdsatelliten stammen könnten. Da die einzelnen Impulse anscheinend sehr kurze Nadelimpulse sind, kann man sie zur Messung der Zeitkonstanten heranziehen.
Die gesamte Serie der Impulse. Ein Einzelimpuls weist Deformationen aus, die an das Verschleifen eines Nadelsimpulses durch eine endliche Zeitkonstante erinneren. Aus diesen Daten schätzen wir Anstiegs- und Abfallzeit unseres Systems auf etwa 1/20 s = 50 ms.

Diese Messungen wurden mit der 'alten' Instrumentierung (HP437B Leistungsmesser) durchgeführt. Da die Pulsbreite bei B0239+54 weniger als 10 Prozent der Periode beträgt, also 70 ms, ist zu erwarten, dass der Puls sicherlich von der Zeitkonstanten des Detektors beeinflusst wird. Jegliche Feinstruktur im Puls wird verschliffen.

Dies Problem wurde durch den Einsatz des schnelleren Sensors E4412A und des EPM441A Leistngsmessers behoben, und ergibt in der Tat einen wesentlich schärfen Puls:

In einem Wasserfall aus Phasendiagrammen mit 600 s langen Datenstücken (zur Verbesserung des Signal/Rausch Verhältnisses) einer 10 Stunden langen Beobachtung vom 26 oct 2015 zeigt, dass der Puls nicht symmetrisch ist, sondern das ein schwacher Nebenpuls folgt. Dieser ist als blauer oder grüner Schwanz rechts vom Hauptpuls zu erkennen:

Beobachtungsdauer

In Prinzip sollte man versuchen, soviel Daten wie möglich zu erlangen. Um das Signal/Rausch Verhältnis zu verdoppeln, muss man viermal soviel Daten haben. In gleicher Weise erfordert die Detektion oder Messung einer zweimal schwächeren Quelle eine viermal längere Beobachtungszeit.

Wegen der Helligkeitsschwankungen durch die Szintillation , liefert eine längere Messung nicht unbedingt eine solche erwartete Verbesserung, weil Zeiten mit starken Pulsen gemischt sind mit Zeiten in denen der Pulsar im Rauschen verschwindet.

Die Detektion eines Pulsar hängt also auch davon ab, ob man das Glück hat, ihn in einer starken Phase anzutreffen. Es kann daher gut sein, dass eine kürzere Messzeit durchaus ausreicht, den Pulsar aufzunehmen:
Das Phasendiagramm des gesamten Datensatzes - 25 min bei 2 kHz Abtastfrequenz, am 27 oct 2014. Verwenden wir nur jeden zehnten Datenpunkt - so dass die Abtastrate nur 200 Hz beträgt - erhalten wir noch immer einen klaren Puls!

Allerdings, wenn wir nur das erste Zehntel der 1.6 Million Daten (oder nur 2.5 min) verwenden, ist der Puls nicht länger auszumachen. Es ist daher nicht nur wichtig, viele Daten zu haben, sondern auch dass die Beobachtungszeit lang genug ist.

Wahl der Abtastrate

Eine hohe Abstastrate gibt eine hohe Zeitauflösung, so dass Einzelheiten im Puls leichter zu erkennen sind. Aber da diese Rate im Allgemeinen kein rationales Vielfaches der Pulsarperiode ist, ist dies nicht von allzu großer Bedeutung, denn früher oder später wird jeder Teil der Periode abgetastet. Daher ist der Hauptvorteil einer hohen Abtastrate, dass sie einfach mehr Datenpunkte erzeugt. Dies ist zwar gut für das Signal/Rausch Verhältnis, verursacht aber lange Dateien, die Übertragung und Verarbeitung verlangsamen. Für den einfachen Nachweis von B0239+54 (Periode 0.7 s und Pulsbreite 50 ms) reicht eine Abtastrate von mehr als 100 Hz völlig aus, weil der Puls dann durch mindestens zehn Messpunkte überdeckt wird.

Am 26 apr 2015 wurde eine 30 s lange Messung mit einer Rate von 20 kHz gemacht. Indem wir die Daten ausdünnen, können wir den Einfluss unterschiedlicher Abtastraten zeigen:
Die ursprünglichen Daten mit 20 kHz Dezimiert auf 2 kHz, ist der Puls noch unverändert ... ... und sogar auf 200 Hz dezimiert, ist das Rauschen zwar etwas angewachsen, aber der Puls bleibt noch immer intakt.
Die ziemlich hohe Rate von 20 kHz hat noch einen nützlichen Nebeneffekt: Das Netzbrummen ist viel besser zu erkennen:
Das Phasendiagramm mit 0.1 s Periode zeigt 10 fast saubere Sinusschwingungen. Eine FFT Analyse gibt ein Spektrum, das bei 100, 200, 300, und sogar 400 Hz starke Komponenten zeigt, sowie eine schwache 50 Hz Komponente.

Wahl der Anzahl der Bins

Je mehr Bins das Phasendiagramm aufweist, desto besser ist die Zeitauflösung, d.h. die Möglichkeit feine Strukturen zu erkennen. Allerdings wird die verfügbare Signalleistung in kleinere Pakete aufgeteilt, so dass das Signal/Rausch Verhältnis vermindert wird, und daher eine größere Datenmenge für dasselbe S/R nötig ist.

Hier steht man vor der Wahl zwischen guter Zeitauflösung oder gutem Signal/Rausch Verhältnis. Die Entscheidung hängt von der erreichbaren oder möglichen Datenmenge ab, der nötigen Auflösung, und wieviel Rauschen man sich erlauben kann ...
Mit 1000 Bins ist das Rauschen stärker als bei 200 Bins (oben), weil die Signalleistung über mehr Teile vergeteilt wird. Mit nur 100 Bins werden die Fluktationen des Rauschens stärker geglättet. Trotz des gröberen Phasendiagramms ist der Puls noch gut definiert. Alle etwaigen Feinheiten wären aber ausgeschmiert, aber solche können von der 'alten' Instrumentierung von vorn herein nicht aufgezeichnet werden (Details).